Das Tal der Kürbishäuser

Es ist wieder Herbst. Herbst heißt Erntezeit. Das wäre nicht unüblich, wenn nicht ein Teil der Ernte aus Kürbissen bestehen würde. Viele Kürbisse sind ganz normal aber einige werden so groß wie Häuser. In ihnen lässt es sich wunderbar wohnen. Jede Familie hier wohnt in einem Kürbis. Zur Erntezeit bleiben die Riesenkürbisse natürlich an ihrem Platz, der das neue Grundstück einer Familie wird.

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Hinweis für Erziehungsberechtigte und Vorleser

Das Tal der Kürbishäuser ist eine Reihe von Geschichten um Kinder, vor allem Charly, die in Kürbishäusern wohnen.

Die Geschichten drehen sich viel um dörfliches Leben, Natur und Landwirtschaft. Auch Themen der alternativen Ver- und Entsorgung sind selbstverständlicher Teil der Geschichten, ohne eine Klimaschutz- oder Naturschutzbewegung anzuzetteln. Die Leute wohnen in ihren Kürbissen, weil es nun mal so ist und weil sie in einem entlegenen Tal wohnen, Sonne, Wind, Wasser und Natur haben und eine geringe Einwohnerdichte, versuchen sie, wenn es Sinn macht, alles vor Ort herzustellen. Das Thema autarke Versorgung ist bei allen ländlichen Kommunen immer aktuell. In Ländern oder Regionen mit einem instabilen Netzausbau sowieso. Es ist nicht belehrend und es geht mehr darum, wie viele Bienen man für einen Liter Honig braucht und wie gefährlich es sein kann, eine Photovoltaikanlage auf einem Kürbis selbst zu installieren. Dass Kürbispflanzen eingefahrene Wege saisonal beeinträchtigen können, mag dem zu Tiefsinn geneigten Leser zu abenteuerlichen philosophischen Niederkünften bringen. Jedes Kind fragt sich irgendwann, wo sein Abwasser landet. Hier im Mikrokosmos wird es auch irgendwie plausibel sein müssen. Es soll unterhaltsam sein und gut lesbar und vorlesbar. Nochmal: Bienen sind klasse, solange man nicht drauftritt. 

Einleitung

Kürbisse sind toll. Sie wachsen schnell heran, die Pflanzen haben große Blüten und Blätter und wenn man sie ernten will, muss man weder buddeln, noch auf den Baum steigen. Aus Ihrem Fleisch kann man Suppe machen, es zum Salat essen oder einen Kuchen backen. Aus einigen Kürbisarten werden die Kerne gepresst und das Öl als Salatöl genutzt. Auch Vögel essen Kürbiskerne gern und die Kühe und Schweine auf den Bauernhöfen essen auch gern Kürbis. Aus der Schale kann man lustige Gesichter schnitzen und zu Halloween beleuchten. Das passt gut, denn die Kürbisernte findet immer im Herbst statt und da ist auch Halloween. All hallows‘ eve. Der Abend vor dem Fest für alle Heiligen und das Gebet für die Vorfahren. Aber auch ein Dank an die Ernte und die Zeit, wo die Tiere des Hofes wieder für den Winter in die Ställe kommen. Die Tiere, die man gegessen hat, wurden komplett verwendet und auch ihren Knochen verbrannt und die Asche enthielt wertvollen Dünger für die Gemüsegärten. Alles ging und kam in irgendeiner Form wieder und machte Sinn. Die Bonfires, die Lagerfeuer waren es auch, an denen man sich schaurige Geschichten erzählte. Geschichten, die besonders schaurig waren, wenn eine Kerze in einem Kürbis flackerte, in den eine Fratze geschnitten war.

Charly kannte das Problem der Kürbisernte nur zu gut. Er konnte die großen Kürbisse in seinem Tal, in dem er wohnte, nicht anheben. Keiner konnte das, denn sie waren so groß wie Häuser. Und wenn ein Kürbis im Tal so groß wie ein Haus wurde, dann wurde daraus auch ein Haus gemacht. Das war viel Arbeit aber jedes Haus zu bauen, macht Arbeit. Die Riesenkürbisse wuchsen nur hier im Charlies Tal und nirgendwo sonst auf der Welt. Man konnte es nicht sehen, man konnte es vorher nicht wissen, ob ein Kürbis zu einem Riesenkürbis heranwachsen sollte.

Vielleicht lag es an den Samen der Kürbisse. Jedenfalls nicht wenn andere Samen hier gepflanzt wurden. Die Kürbisse blieben klein. Noch nie ist ein Kürbis aus dem Tal als Samen oder junge Pflanze woanders eingepflanzt worden. Schon viele Diebe haben versucht, Kürbiskerne zu stehlen, um es erneut zu versuchen. Das Tal hatte aber zwei Polizisten, die bisher jeden Dieb auf frischer Tat erwischt hatten. Das war einfach. Das Tal hatte nur einen Ausgang und die Kerne würden in der Ölmühle, die mit der Kraft des Wassers angetrieben war zu Kürbiskernöl verarbeitet. Der Polizist und sein Bruder wohnten mit ihren Familien in der Mühle, deren Wasserkraft an den restlichen Tagen im Jahr für die Herstellung von Strom benutzt wurde. 

Der Polizist war eigentlich Kriminalkommissar aus der 30 Meilen entfernten Stadt. Als sein Bruder, der Müller sich beim Bergsteigen einen Arm gebrochen hatte und nicht arbeiten konnte, half er ihm während der Ernte und bei dem Mahlen von Kürbiskernen. Seine Familie war begeistert. Die Kinder konnten fast überall spielen.

Autos gab es direkt im Dorf nicht, weil am Ortseingang von Rettich, so hieß das Dorf, ein Parkplatz für die Bewohner, Besucher und Lieferanten angelegt worden war. Das war notwendig, den jedes Jahr wuchsen einige Kürbisse zu Riesenkürbissen heran und deren Strunk, Äste und Blätter wuchsen kreuz und quer, dass sich die Wege, die sich dann manchmal nicht befahren ließen. Jedes Jahr sah es im Tal anders aus und die Wege waren meistens aus Sand. Nur dort, wo schon viele Kürbishäuser eng zusammenstanden, wurden feste Flächen gebaut, wie auf dem Dorfplatz oder in der Kürbisgasse. Auf dem Dorfplatz sollte kein neuer Kürbis mehr wachsen, das wurde einstimmig beschlossen, damit man einen Ort hatte, den man immer für Feste, den Wochenmarkt und für Notfälle hatte, fall doch mal ein Auto bis hierhin musste. Die Kürbisgasse war eine Gasse mit kleinen und großen eng an und ineinander gewachsenen Häusern auf beiden Seiten. Auch das war nicht geplant. Sie wuchsen alle in einem einzigen Jahr.

Häufig am Abend trafen sich die Dorfbewohner im Dorfgasthof von Rettich. Die Kinder hatten dort einen eigenen Spielkürbis. Das war praktisch, wen es draußen regnete oder schneite. Die Kürbisse waren nicht nur besonders groß, ihnen machte auch der Frost und der Schnee nichts aus. Dennoch mussten die Häuser gepflegt werden. Alle fünf Jahre gingen die Hausbesitzer mit Freunden und Nachbarn heran und wachsten das Haus. Mit Bienenwachs aus alten Waben der Honigbienen polierten sie den Kürbis. Das half, Risse in der harten Schale zu verhindern und dass sich Wasser und Eis dort festsetzen konnte. Auch Moos, das sich allmählich auf der windgeschützten Seite der Kürbisse bildete, konnte an ihm nicht haften, wenn er gut gewachst war. Um ein Haus zu wachsen brauchte man fünf große Eimer Wachs. Das ist so viel, wie eine zweihunderfünfzig tausend Bienen hier im Tal im Jahr produzierten. Das klingt nicht viel, aber jedes Jahr wurden mehr Häuser eingewachst und bei den älteren Häusern wachste man auch schon mal jedes zweite Jahr. 

Die vielen Millionen Bienen fielen im Tal gar nicht auf, auch wenn alles summte und brummte. Alles war voller Blüten bis in den späten Herbst hinein und der Winter war hier nur kurz.

Die Bienen hatten alles, was sie brauchten. Nur um die Kürbisblüten zu befruchten, mussten sehr viele Bienen Pollen sammeln und weitertragen. Die Kürbisblüten waren größer als der Vater von Charly und der war schon ziemlich groß.

 Auf den Wiesen war alles voller Blumen und blühender Kräuter und die Obstbäume dufteten und blühten auch. An den Wegesrändern waren Sträucher mit Beeren. Auch die brauchten die Bienen für ihre Blüten.

Keiner der hier wohnte, wollte von hier weg. Außer dem Bürgermeister. Nur wenige wussten, warum dass so war, dass er wegwollte. Charly wusste es nicht.

Das Tal schmiegte sich lang und mit sanften, grünen Hügeln mit Wiesen und Wäldern an hohe Berge, die es fast vollständig von der Außenwelt versperrten.

Der höchste Berg war der Mount Courntey mit eintausendvierhundert Metern. Das war nicht hoch, aber die Gebirgskette war zu steil, um einfach darüber zu laufen.

Im Tal war ein See, der Dark Lake. Er hieß so, weil er sehr tief war und an einigen Stellen meistens von den Bergen verschattet war. Er hieß aber auch so, weil es dunkle Geschichten über ihn gab. Seltsame Tiere, vor allem sehr alte und große Fische, die zu Legenden wurden, weil man nur glaubte, sie gesehen oder fast geangelt zu haben. Andere Tiere kannte jeder im Tal. Da war der alte Ben, der Paddelfisch. Er war bestimmt drei Meter lang und hatte eine Schnauze wie ein Paddel. Er schwamm häufig an der Mühle herum und ließ sich sogar mit der Hand füttern. Man sprach aber auch von einem riesigen weißen Stör, der drei Mal so groß wie Smitty sein sollte. Er wurde nur sehr selten gesehen und war nur kurze Zeit im Jahr im See. 

Das Tal wurde geteilt durch den kleinen Fluss, den Dark River. Der hieß nur so, weil er durch den Dark Lake floss. An dem Fluss war überhaupt nichts dunkel. Er war flach, zumindest im Bereich des Dorfplatzes und floss nicht schnell. Er hatte Buchten mit Wasserpflanzen, die auch blühten. Sein Grund war kiesig an den Stellen, wo das Wasser schneller floss und sandig, wo eine Bucht oder eine Kurve war. Die Wiesen gingen direkt runter bis an das Wasser. Es gab nur zwei Brücken im Tal. Die eine war eine schmale Holzbrücke für Fußgänger. Die andere war an der Mühle und war auch zu schmal für Autos. Deswegen standen zwei kleine Karren auf der anderen Seite des Dark River.

Auf der Seite der Mühle standen viel weniger Kürbishäuser als auf der Dorfseite. Keiner wusste warum. Aber das Haus von Charlies Familie war hier. Und nicht irgendwo. Es lag oben auf einem Hügel oberhalb der Mühle. Von hier konnte man fast das ganze Dorf überblicken, den Fluss und einen Teil des Dark Lake. Hinter Charlies Kürbis waren Almen. Die Bauern brachten ihre Kühe dort zum Grasen und sie blieben dort fast das ganze Jahr, wenn es keinen plötzlichen Wintereinbruch gab. Dahinter wurden die Berge wieder steiler und direkt am Fluss begann ein Wald, der in einem Nebental bis zu den Bergen ging und immer düsterer wurde. Im Wald gab es Wildtiere und andere Vögel als im Rest des Tals. Und es gab Pilze. Viele Pilze, die auch etwas zu groß geraten waren. Pilzsaison war eigentlich mehr als die Hälfte des Jahres, aber die beste Zeit war vom September bis November. Da war es im Wald noch warm und es wurde feuchter. Im Wald regnete es sowieso mehr als im Haupttal. Der Wind trieb die Wolken bis zu den Bergen und dort, über dem Wald regneten sie ab. Häufig sah man einen Regenbogen über dem Wald. 

Charly war nicht oft im Wald. Was sollte er da. Seine Freunde wohnen im Dorf und auch wenn das Dorf nur 630 Einwohner hatte, war eigentlich immer was los. Wer behauptet, man müsse in den Wald, um zu klettern, oder Baumhaüser zu bauen, ist noch nie auf einer gigantischen Kürbispflanze herumgeklettert, im Sonnenschein, hoch über einer Blumenwiese.